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Im Gespräch mit dem Werberat

Spannende Themen, konstruktive Diskussionen

Foto: iStock.com/nathaphat

Werbemonitor und Österreichischer Werberat (ÖWR): Bei einem Onlinemeeting tauschten sich ÖWR-Präsident Michael Straberger, Sabine Wolfram (Chefredaktion Werbemonitor), Fachgruppengeschäftsführer Clemens Grießenberger, ÖWR-Geschäftsführerin Andrea Stoidl und Obmann Andreas Kirnberger angeregt aus (v. l.).

Erst kürzlich wurde der Langzeitpräsident des Österreichischen Werberats (ÖWR), Michael Straberger, einstimmig für weitere drei Jahre bestätigt. Er empfindet seine sechste Amtsperiode als große Auszeichnung. Ebenso in den Vorstand gewählt wurde Andreas Kirnberger, Obmann der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation, der wieder als Sprecher des Bundesländer-Expertengremiums fungiert. Grund genug für ein spannendes Gespräch über Selbstregulierung und das „heiße“ Thema rund um mögliche Werbeverbote im Lebensmittelbereich.

Es ist Montag um 9 Uhr und wir finden aus den unterschiedlichsten Himmelsrichtungen von Niederösterreich bis ins steirische Salzkammergut zu einem Onlinemeeting zusammen. Mit dabei sind Michael Straberger, ÖWR-Präsident, Andrea Stoidl, ÖWR-Geschäftsführerin, Obmann Andreas Kirnberger und Geschäftsführer Clemens Grießenberger von der Fachgruppe Werbung und Marktkommunikation sowie Sabine Wolfram, Chefredakteurin Werbemonitor.

Michael Straberger hat nach mehr als 15 Jahren seiner Tätigkeit für den Werberat kürzlich wieder das uneingeschränkte Vertrauen der Vereinsmitglieder im ÖWR erhalten. Er bringt sich gemeinsam mit Andrea Stoidl seit diesem Zeitraum intensiv ein. Andreas Kirnberger leitet in bewährter Weise das Bundesländer-Expertengremium weiter. Im angeregten Gespräch tauchen wir von einer Thematik in die nächste, vom Bundesländer-Expe-tengremium bis zur heißen Diskussion über die geforderte Beschränkung von Werbemaßnahmen für HFSS-Produkte (hoher Fett-, Salz- und/oder Zuckerge-halt). Da wir einander kennen, sind wir per Du.

Werbemonitor: Was ist das Bundesländer-Expertengremium?

Michael Straberger: Es besteht seit rund acht Jahren. Die Idee ist, dass der Werberat nur dann funktioniert, wenn alle Teilnehmer der Branche wissen, was wir hier tun und die Selbstregulierung sozusagen von denen, die es im tagtäglichen Business ansteuern können, gelebt wird. Das ist sicher einer unserer größten Erfolge – die Akzeptanz der Kollegen, die speziell auf Agenturseite sitzen, aber auch für die Auftraggeber, also dass sie die Idee nicht nur verstanden haben, sondern wirklich leben. Und über lange Zeit hat dieser Mechanismus, was wir hier tun, damit die Informationen zu den Agenturen kommen, nicht gut funktioniert. Mit der Idee des Bundesländer-Expertengremiums hat sich das enorm verbessert.

Wie oft trifft sich das Gremium?

Michael Straberger: Zweimal pro Jahr. Momentan haben wir unter der Führung von Andreas Kirnberger ein sehr lebendiges und engagiertes Team und ergiebige Meetings.

Wie siehst du das, Andreas?

Andreas Kirnberger: Ja, es gibt eine sehr lebendige Diskussion. Und je mehr die Bundesländer sehen, dass es funktioniert und sie auch diejenigen sind, die die Diskussion mitgestalten, desto besser wird das Gremium. Natürlich differieren die Sichtweisen von Wien nach Vorarlberg und jede Region hat andere Erfahrungen. Wir können alle voneinander lernen. Projekte, die im Werberat eingehen oder mit einem Stopp belegt werden, kann man quer über Österreich ziehen. Selbstregulierung ist hier die beste Möglichkeit für die Branche.

Welche Ziele nehmt ihr euch vor?

Andreas Kirnberger: Es gibt zwei Hauptziele im Vorstand: Erstens die laufende Information, was sich generell im Werberat tut, welche Entwicklungen es gibt und was gerade diskutiert wird. Zweitens das Feedback aus den Bundesländern.
Michael Straberger: Was ich hervorheben möchte, ist, dass wir eine sachliche, fachliche und konstruktive Zusammenarbeit leben, die sich intern ins Expertengremium zieht. Es gibt kein politisches Agieren oder Agitieren. Das zeichnet den Werberat-Vorstand aus! Die Vorstandsmitglieder verfolgen naturgemäß oftmals unterschiedliche Interessen, sie sind z. B. Medienvertreter, wie der Österreichische Zeitschriftenverband, der Verband Österreichischer Privatsender oder der ORF, im Vorstand des Werberats genauso wie Agenturvertreter (FV Werbung und Marktkommunikation) oder auch die Industriellenvereinigung und der Markenartikelverband. Noch kurz zum Inhaltlichen: Andrea stellt gemeinsam mit mir für jedes dieser Meetings eine Agenda zusammen, die sich aus dem Jahresablauf ergibt, z. B. der Rückblick der Beschwerdebilanz des Vorjahres. Sonst sind wir von den aktuellen Themen geprägt, die international oder in Österreich aufflammen. Und da entsteht oftmals ein intensiver Austausch, bei dem die Fachgruppen oft mehr Informationen von uns benötigen.

Andrea Stoidl: Ja, stimmt. So hatten wir gerade mit den Kollegen in Salzburg einen intensiven Austausch zum Thema Lebensmittelwerbung. Das Thema war in Salzburg sehr präsent und wir konnten mit unseren Informationen rund um internationale und nationale Entwicklungen einige Inputs für deren Kommunikation mit der lokalen Presse geben. Gleichzeitig haben wir im Zuge des Austauschs wichtige lokale Informationen erhalten. An dieser Stelle: Vielen Dank dafür!

Weil du das Thema Lebensmittel angeschnitten hast, worum geht es dabei?

Andrea Stoidl: Es gab in Bezug auf Lebensmittel einen Vorstoß in Deutschland, von dem ihr vielleicht gehört habt. Es wurde zwar kein direktes Werbeverbot ausgesprochen, aber über die Beschränkung von Werbemaßnahmen im öffentlichen Raum für HFSS-Produkte diskutiert. In diesem Zusammenhang wurde die Zielgruppe Kinder und Jugendliche auf bis zu 18-Jährige ausgeweitet, was de facto fast einem Werbeverbot gleichkommen würde. Der deutsche Ernährungsminister Cem Özdemir hat das Thema ins Regierungsprogramm aufgenommen. Das wurde in Österreich von Vertretern der SPÖ aufgegriffen und versucht, das Thema gemeinsam mit Foodwatch Österreich medial zu pushen.

Was habt ihr dazu beigetragen?

Andrea Stoidl: Von uns gibt es ein Gedankenpapier, in dem wir darstellen, worüber wir in diesem Zusammenhang überhaupt reden. Um wie viele Beschwerden handelt es sich, welche Themen gab es bei den Beschwerden? Interessanterweise ging es nicht darum, dass sich Konsumenten vorsätzlich beschwert hätten, dass man in einem Umfeld von Kindern bei der Werbung viele fetthaltige Produkte zeigt, sondern es ging um Greenwashing im Lebensmittelbereich oder um Geschlechterdiskriminierung im Bereich der HFSS-Produkte. Und genau dieser Part, der so massiv medial ausgespielt wird, ist bei uns kein Thema. Weitere wichtige kommunikative Maßnahmen haben in diesem Bereich die Interessenvertretungen gesetzt, also der Fachverband der Lebensmittelindustrie oder auch der Österreichische Verband der Markenartikelindustrie. Noch erwähnt sei: Wir haben letztes Jahr eine Elternstudie gemacht, die ganz klar darüber Auskunft gibt, wo die Hauptverantwortung liegt und wo die Ursachen von Übergewicht bei Kindern zu finden sind. Eines der Ergebnisse ist, dass Werbung in diesem Zusammenhang von untergeordneter Bedeutung ist.

Michael Straberger: Das Thema des gesundheitsgefährdenden Essverhaltens ist ein gesellschaftliches. Die Werbebranche – beginnend mit den Werbeaktivitäten der Auftraggeberseite –, zu der natürlich auch jene gehören, die in Agenturen die Kampagnen konzipieren, und die Me-dien, die sie in die Welt bringen, werden in eine defensive Rolle gedrängt. Das Problem ist, dass die Ursachen vielfältig sind. Das Hauptproblem ist, dass wir den Konsumenten zu wenig Informationen zu Nahrungsmitteln zur Verfügung stellen und der verantwortungsvolle Umgang in einem Vakuum aus Informationsdefizit passiert. Und da ist die Frage, wer letztlich dafür verantwortlich ist. Die Elternstudie zeigt auf frappierende Art und Weise, dass sich Eltern dieser Verantwortung zwar bewusst sind, aber auch wissen, dass sie sich um das Thema zu wenig kümmern.

Es geht sicher auch um die Begleitung von Kindern und Jugendlichen in der schulischen Ausbildung, und zwar in der Form, dass im Unterricht Aufklärung passiert. Was ist gesund und was nicht? Es gibt das Riesenthema, dass Bewegung im Kindes- und Jugendalter einfach zu kurz kommt. Unzählige Untersuchungen zeigen, dass die Bewegung über die Jahre immer mehr abnimmt. Dann hat die Pandemie sicher noch einen großen negativen Effekt erzeugt. Und natürlich sind Medien und Auftraggeber in der Verantwortung. Daraus müsste ein Mechanismus entstehen, dass Menschen, egal wie alt sie sind, wissen, was und wie viel für sie gesund ist und was nicht. Es kann nicht sein, dass man sagt, alles, was süß ist, wird jetzt verboten.
Aber das deutsche Modell würde ja de facto einem Werbeverbot gleichkommen.

Michael Straberger: Ja, der erste Schritt wäre ein Verbot zwischen 06:00 Uhr und 23:00 Uhr, was einem Werbeverbot in allen Medienkanälen gleichkommt. Das muss man sich immer klar bewusst machen, abgesehen von wirtschaftlichen Kriterien. Wenn diese Produktkategorie weggeschalten wird, dann entstehen im öffentlichen Bereich wieder neue Effekte – wo es verboten werden soll, wird richtig interessant. Die zweite Gefahr, die ich sehe, ist, dass man irgendwann vielleicht sagt, bestimmte Produkte darf es gar nicht mehr geben. Aber wo fängt eine Verbotsstrategie an und wo hört sie auf? Es ist unsere tiefste Überzeugung: Zu den kritischen, schwierigen Produkten muss es mehr Information geben. Diese Verantwortung haben auch jene, die diese Produkte in Verkehr bringen, aber genauso Einrichtungen wie das Gesundheits- und das Unterrichtsministerium, sodass diese Informationen dort ankommen, wo sie eine Veränderung in der Einstellung bewirken. Aber die Selbstverantwortung kann man den Menschen einfach nicht nehmen. Deshalb sind wir so strikt gegen Werbeverbote.

Wie kann man von den Verboten wegkommen?

Michael Straberger: Wir arbeiten intensiv mit der Industrie zusammen, weil hier das Grundinteresse gegeben ist und es dort tatsächlich nicht die Haltung gibt, einfach darauf sitzen zu bleiben, solange es geht. Die Konzerne verändern ihre Produkte permanent. Wir arbeiten derzeit als Initiator an neuen Informationskampagnen. Es ist ein Prozess, in dem Personen aus dem werblichen Bereich, aus der PR und der Unternehmensstrategie die Köpfe zusammenstecken. Dieser läuft und wird in den nächsten Monaten Früchte tragen. Wir wollen die Aufklärung forcieren.

Andrea Stoidl: Es gibt im Sinne der Selbstregulierung natürlich Maßnahmen, die wir jetzt zusätzlich setzen können. Es bringt viel mehr, in der Selbstregulierung zu bleiben, hier kann man mehr bewirken als mit einem Werbeverbot.
Andreas Kirnberger: Die Frage ist eben, in welche Richtung man geht. Auf der einen Seite gibt es die Plattform mit den Interessenvertretungen, in der Personen aktiv sind und ganz offen diskutieren können. Auf der anderen Seite – so halten wir es als Fachgruppe oder im Fachverband, in denen es um die Interessenvertretung unserer Branche geht – sagen wir der Politik klar, dass die Verbotszone, je enger du sie in allen Bereichen ziehst, für die Branche ein Todesurteil in verschiedenen Dingen ist.

>>> Wir spannen noch einen Bogen über weitere Folgen der Verbote, über Nachhaltigkeit und Greenwashing und was seitens der EU in den nächsten Jahren auf Unternehmen zukommen kann. Themen gibt es genug. Vielen, vielen Dank für eure Zeit, die geballten Informationen und den wertschätzenden Austausch.

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